Die Dinge ändern sich. Manche leider nicht. Mein Spanisch zum Beispiel. Ich stecke derzeit fest. Das bißchen, was ich bis jetzt drauf hab geht zwar schon schneller über die Lippen, und es reicht, um die Komplikationen des Alltags zu bewältigen; für nette Konversation, Small-Talk kompliziertere Bestellungen und vor allem zum Studieren ist es unzureichend.
Ich müsste eigentlich schon längst täglich studenlang Vokablen lernen, nur hält sich die Motivation in Grenzen. Mühsam ist das, und die Vergessenskurve geht ziemlich steil bergab.
Die Pläne mit der Sprachschule wurden meinerseits auch auf Eis gelegt, nachdem Robert berichtet hat (der ja schon zuvor damit angefangen hat), dass das ganze nicht sonderlich effektiv ist. Vorerst. Der Plan wurd also geändert und wir haben uns jetzt noch mal eine Woche Zeit gelassen um unser Spanisch weiterhin auf eigene Faust aufzupolieren. Nächste Woche gehts dann wirklich los mit professionellem Training. Mal sehen.
Die Reisevorbereitungen für meine Eltern hinken auch noch - da muss sich was ändern.
Zuerst gab's mal ein unglaubliches Theater mit den Aerolineas Argentinas - welches damit
endete, dass ich den DOPPELTEN Preis für die Tickets nach Patagonien zahlen musste, weil ich Europäer bin. Dennoch kann ich nun 3 Tickets in den tiefsten Süden Argentiniens mein Eigen nennen. Dazu musste ich mich allerdings zuerst mal mit ihrem komplizierten Online-Reservierungssystem herumschlagen, um dann draufzukommen dass ich ohnehin nicht bezahlen kann, weil nur Visa akzeptiert wird. Eine in ARGENTINIEN ausgestellte Visa-Card!
Also musste ich mich in die offizielle Verkaufsstelle begeben um dort meine Tickets abzuholen. Auf nach Downtown/Microcentro. Wiedermal. Zusammenreißen, tief Luft holen und rein ins innerstädtische Getümmel, dahin, wo sich das urbane Leben zu einem nicht abreißenden Strom an Menschen verdichtet.
Der gigantische Verkaufsposten der Aerolineas beherbergt mehr als 20 Schalter; hinter jedem eine smarte, gutaussehende, ein bißchen englisch-sprechende Mitarbeitern der nationalen Airline - nur hinter einem saß eine fossile Schnecke, mit zu schwacher Lesebrille, zusammgepressten Lippen und leiser Stimme. Die bekam ich. Natürlich.
Nach einer Ewigkeit, in der sie meinen Pass nahezu zerlegt hatte, erklärte sie mir dass ich mehr zahlen müsste, weil ich ja scheinbar nicht Argentinier bin (Überraschung!).
Dann untersuchte sie, einer Archeologin gleich, meine Kreditkarte. Mastercard. Sie dachte wohl eher man könnte es essen - nachdem sie aber akzeptiert hatte, das dem nicht so war "durfte" ich ENDLICH bezahlen. Nach einer Ewigkeit im den schwach klimatisierten HQs der Aerolineas hatte ich endlich meine Tickets.
Nach diesem finanziellen Diskriminierung war klar: Fliegen ist teuer, nehmen wir den Bus. Ab in die U-Bahn, auf nach Retiro, zum Busterminal. Einem Basar gleich reihen sich hier die Langstreckenbusanbieterverkaufsbüros aneinander. Ohne Rumfackeln rattert die Dame hinterm Schalter von FlechaBUS den Zeitplan und die Kosten für die erfragte Fahrt runter. Ich will mich fast ducken angesichts soviel Zack-Zacks. Innerhalb weniger Minuten dreht mir die resolute Verkäuferin also 3 DeLuxe-Bustickets nach Salta an - zum Preis von EINEM Flugticket. So kann's auch gehen.
Für 3 Tage am Strand in Pinmar gibts 2 Tage später das selbe Programm. Problem hier: es scheint ganz Buenos Aires ans Meer zu pilgern. Es ist nahezu unmöglich, ein Hotel zu bekommen. Daran wird derzeit noch gearbeitet. Ich hoffe das ändert sich bald ;-)
In der WG ändert sich nicht viel. Es wird nur endlich wieder mal ein wenig mehr auf Sauberkeit geachtet, nach den ausaufernden Barbareien in der Küche letzte Woche. Derzeit bin ich außerdem ein wenig auf Rückzug bedacht. Mein Spanisch macht all die Gespräche so mühsam und ich krieg Kopfweh von dem ständigen BlaBla das ich nur teilweise verstehe. Ein erstes Tief folgt unweigerlich.
Auch meine Essensgewohnheiten ändern sich langsam. Mehr Fleisch und Dulce de Leche (DIE argentinische Caramel-Creme; es gibts nichts Süßes, das NICHT mit Dulce de Leche gefüllt,
überzogen, aromatisiert oder versetzt ist).Mit dem Essen hab ich allerdings noch zu kämpfen. Mein letzter argentinischer Imbiss - 6 Uhr früh, nach der legendären, dienstäglichen Drum'n'Bass Nacht im Bahrein (wieder mal) - war ein Kampf. Das käftig-deftig-leckere Menü "Criolla" - das sich als doppelt so umfangreich wie auf dem Plakat angezeigt herausstellte - zu verspeisen, glich dem Versuch die Avenida 9. de Julio bei grün zu überqueren: schon bei der Hälfte weiß man nicht mehr, ob man es bis zum Ende schafft. Ein Berg aus Rindfleich mit Salat, Tomaten und Mayo garniert, hineingepresst in ein französisches Baguette, dazu Pommes und Pepsi.
Auch die Dulce-de-Leche-Naschereien (Törtchen, Taschen, Schnecken, Kipferl usw.) haben es in sich - jede geschätze 1,5 bis 2 Millionen Kalorien. Aber zum Dahinschmelzen gut - gibts an jeder Ecke in den unzähligen Confiterias und Panaderias.
Des weiteren hab ich von Kaffee auf Mate umgesattelt. Mate ist hier Kult. Jeder trinkt ihn - den koffein- und mineralstoffreichen Wundertee; und das in rauen Mengen. Ich jetzt auch.
Kaffe war gestern. Spätestens seit dem gescheiterten Versuch einen Café cortado im Tortoni einzunehmen - ähnlich den Megaclubs muss man hier inzwischen vor der Tür endlos Schlange stehen um hineinzukommen; ins älteste und berühmteste Café Argentiniens; aber wozu anstehen? Um Kaffee zwischen zahllosen amerikanischen Touristen und Backpackern zu trinken?
Ich koch meinen Mate lieber zuhause, während nebenan die gigantische 50er-Jahre-Nähmaschine der Mutter meines Vermieters rattert. Diese entzückende, ältere, leicht gruftige Porteno-Lady, besucht uns (eigentlich ja ihre Nähmaschine die hier stationiert ist) regelmäßig, um Tischdecken, Polsterüberzüge und ähnliches zu nähen, während sie sich eine Zigarette nach der anderen an ihren Zigarettenhalter steckt und so ganz nebenbei noch mexikanische Telenovelas verfolgt.
Meine Mobilität in der Stadt beschränkt sich soweit noch immer auf U-Bahn, Taxi und Muskelkraft.
Nach unzähligen Versuchen habe ich es nun endlich geschafft, den legendären "Guia T" - DER Busplan für Buenos Aires - zu bekommen. Das Teil war soweit in allen Zeitschriftenläden - das sind diese Straßenstände deren Angebot sich hauptsächlich auf Softcore und Lifestyle beschränkt (soviel zum "Machismo" - jeder sollte mal erlebt haben wie die gesamte männliche Passagierschar auf den U-Bahnsteigen der SUBTE innehält, um sich die auf den Bildschirmen des Subte-TV räkelnden Bikinimodels zu begaffen ;-).
Ein Blick in das sagenumwobene Druckwerk und ich weiß, dass Busfahren nach wie vor keine Alternative ist - noch nicht. Das Busnetzt ist völlig irrational - der Guia T versucht verzweifelt dieses Chaos geordnet aufzulisten; auf über 180 Seiten! Soweit also keine Changes in diesem Bereich ... höchstens vielleicht, dass ich etwas vorsichtiger geworden bin, was das nächtliche umherlaufen angeht. Nach meinem letzten Nachtmarsch durch San Telmo ist mir klar geworden, dass man hier keinesfalls zu leichtsinnig werden darf. Auch die Geschichten die mir einige hier arbeitende Ausländer erzählt haben, rufen mir wieder ins Gedächtnis, dass ich hier eben doch in Südamerika bin ...
Auch sonst tut sich nicht viel. Ich stecke ein wenig in meiner Freizeit fest. Fast beneide ich meine Kollegen im Ausland ein wenig, um ihren Uni-Alltag, der ihre Zeit kostbar macht und unzählige Sozialkontakte zu Einheimischen und Ausländern ganz von selbst ermöglicht. Ist halt erst im März soweit.
Von Besuchen des japanischen Gartens und des MALBA (kleines, aber sehr feines Museum für moderne Kunst), ein paar Bier mit Robert in einer schrägen Las-Vegas-Bar in Palermo Viejo, Sushi in Puerto Madero und ein paar nächtlichen Taxifahrten durch das Lichtermeer von Buenos Aires mal abgesehen, gabs keinerlei erwähnenswerte Aktivitäten - und das angesichts eines üppigen Kunst- und Kulturprogramms. Beschämend. War wohl der obligate Durchhänger nach der ersten Euphorie.
Nach 2 Wochen in Buenos Aires ist es jetzt Zeit für veränderung. Weniger Shopping, mehr Programm; Weniger Fortgehen, mehr SPRACHE.
Auf in den Kampf!